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Warum europäische Gesundheitssysteme die Lieferengpässe bei Arzneimitteln nicht lösen können

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Warum europäische Gesundheitssysteme die Lieferengpässe bei Arzneimitteln nicht lösen können
Christoph_Baller

Von Christoph Baller, Senior Consultant, Berlin

Nach der Covid-19-Pandemie begann der brutale Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine und erschütterte Europa erneut in seinen Grundfesten mit zahlreichen kleinen und großen Krisen. Einmal mehr ist die Politik gefragt, praktikable Antworten zu finden und Europa aus den Krisen herauszuführen. Eines der sicherlich komplexesten Themen ist die Lösung der zusammenbrechenden Lieferketten bei Arzneimitteln.

Lieferengpässe bei Arzneimitteln begleiten Europa nicht erst seit den aktuellen Krisen, doch diese haben die Situation dramatisch verschlechtert. Derzeit sind über 350 teils lebensnotwendige Medikamente in Deutschland nicht oder nur schwer erhältlich – Stichwort Tamoxifen. Die Bundesregierung, weitere EU-Mitgliedstaaten und die EU-Kommission haben das Problem erkannt und bemühen sich um Lösungen.

Die zentrale Herausforderung ist es, die Abhängigkeit von China und Indien bei Arzneimitteln zu reduzieren. Dies wird jedoch nicht möglich sein, solange Gesundheitsexpertinnen und -experten sowie politische Entscheidungsträger die Ursachen der unternehmerischen Abwanderung nach Asien nicht beheben. Insbesondere in Indien und China profitieren Unternehmen von weniger regulierten Umweltauflagen und deutlich reduzierten Produktionskosten. Bedingt durch den absoluten Sparzwang in allen europäischen Gesundheitssystemen, verlagerte sich die Produktion konsequenterweise nach Zentral- und Ostasien.

Um die Zentralisierung und die Gefahren, die damit verknüpft sind, aufzulösen, werden derzeit unterschiedliche Ideen diskutiert. Zwei prominente Beispiele:

  • Einige Stimmen aus NGOs, Verbänden und der Politik fordern eine Diversifizierung der Lieferkette. Es bleibt jedoch unklar, wie die bloße Diversifizierung der Produktionsstätten die Zentralisierung des Angebots beeinflussen wird, wenn nach wie vor die große Anzahl von Herstellern in derselben Region ansässig sind und folglich nicht in alternative Produktionsstandorte investiert wird.
  • Eine weitere, durch die Industrie präferierte und wirkungsvollere Lösung ergibt sich durch die langfristige Wiederbelebung möglichst vieler Produktionsphasen in Europa. Dafür gilt es, gemeinschaftliche Anreizsysteme zu entwickeln, die eine europäische Produktion für Unternehmen interessant machen. Bei dieser Variante stehen die Staaten vor der Herausforderung, die Wiederbelebung mit entsprechend teureren Arzneimitteln zu refinanzieren.

Beide Optionen sind herausfordernd für die EU und ihre Mitgliedstaaten. Erschwert wird die Situation durch die Diversität europäischer Gesundheitssysteme. Betrachtet man etwa die regulatorischen und ökonomischen Rahmenbedingungen bei der Verschreibung von Arzneimitteln, so werden grundlegende Unterschiede zwischen den Systemen deutlich.

Fakt ist: Die einzelnen Gesundheitssysteme in Europa existieren nebeneinander, sind selten vergleichbar und erhöhen zudem die Komplexität einer gemeinsamen europäischen Lösung. In einem solchen Umfeld werden einzelne EU-Mitgliedstaaten nicht in der Lage sein, ihr Gesundheitssystem im Alleingang an die globalen Herausforderungen anzupassen. Es geht darum, gemeinsame Lösungen in der Ordnungspolitik zu finden.

Die Antwort kann nur im Aufbau einer europäischen Produktion liegen. Dies erfordert starke Anreize und veränderte Strukturen, die die Möglichkeiten der heutigen Gesundheitssysteme übersteigen. Es bedarf daher einer Initiative, die – ausgehend von der europäischen Ebene – starke Anreize für eine Produktion in Europa setzt.

Ein europäischer Ansatz zur Bewältigung der schwierigen Lieferkettenstörungen – Eine Frage der Narrative

Ein europäischer Ansatz verlangt die Betrachtung der gefährlichen Lieferengpässe als eine Frage der europäischen Souveränität und Sicherheitspolitik. Denn ohne Zweifel ist die Gesundheit der EU-Bürgerinnen und -Bürger eine zwingende Voraussetzung für die Handlungsfähigkeit dieses Kontinentes.

Ein weiterer Hebel ist die Nachhaltigkeit. In höheren Qualitäts- und Produktionsstandards, strengen Umweltprüfungen und kürzeren Lieferketten liegen die Vorteile einer europäischen Arzneimittelproduktion. Wenn Europa die Produktion im eigenen Wirtschaftsraum als Beitrag gegen die Umweltverschmutzung und für die Erhaltung des Klimas versteht, gewinnen die Mitgliedstaaten einen Hebel mit der notwendigen Kraft, um höhere Produktionskosten zu rechtfertigen, positive Übertragungseffekte zu erzeugen und die qualitativ hochwertige sowie erforderliche medizinische Versorgung wohnortnah sicherzustellen.

Wirtschaftliche Anreize für die Arzneimittelhersteller werden ausschlaggebend für die strukturelle Veränderung sein. Nur so lässt sich die Produktion in Europa stabilisieren und langfristig gewährleisten. Dies ist aber nicht allein mit den Mitteln des nationalen Gesundheitssystem zu erreichen, sondern eine Frage europäischer Interessen im Bereich Klima-/Umweltschutz, Sicherheitspolitik und Souveränität.

Die EU kann hier von ihren Nachbarn lernen. Dabei lohnt sich ein Blick zu den ansonsten häufig kritisierten Briten: Der National Health Service (NHS) hat eine „10 percent social value“-Regel eingeführt und ermöglicht dadurch heimischen Lieferanten, einen zuverlässigen Markt für ihre Produkte zu finden. Ein ähnliches Vorgehen wird auch in Deutschland und Europa gefordert. Dieser Ansatz schafft die notwendigen, verlässlichen Anreize, die der Gesundheitsindustrie helfen können, das zu leisten, was sie benötigt: eine sichere und nachhaltige Arzneimittelproduktion als wettbewerbsfähiger Beitrag zu mehr Resilienz in Europa.

Eines ist klar: Die Sicherheit der pharmazeutischen Lieferkette muss unter dem Aspekt der geopolitischen Sicherheit sowie Nachhaltigkeit betrachtet und als eine Frage der europäischen Souveränität verstanden werden.

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