Pandemie, Nachhaltigkeit und die Angst der deutschen Wirtschaft vor dem Homeoffice
Michael Knecht, Senior Consultant München, 19. November 2020
Die Covid-19-Pandemie führt uns gerade schonungslos vor Augen, was uns auch beim Klimawandel droht – die Konsequenzen einer unkontrollierbaren Naturkatastrophe. Die Parallelen sind deutlich: globale Phänomene, die gemeinschaftliches Handeln erfordern, die teilweise verleugnet werden und ohne Gegenmaßnahmen außer Kontrolle geraten. Der Unterschied ist, wenn die gängigen Theorien zutreffen, wird beim Klimawandel der globale Kontrollverlust endgültig sein. Da hilft dann auch kein „Lockdown ultra“ mehr.
Grund genug, über Nachhaltigkeit nicht mehr nur zu reden, sondern dies auch in die Tat umzusetzen. Darauf zielt auch die sogenannte EU-Taxonomie-Verordnung, mit der in kurzer Zeit signifikante neue Berichtspflichten zu nichtfinanziellen Leistungsmerkmalen auf (einige) Unternehmen zukommen. Das erklärte Ziel: Kapitalströme in ökologisch nachhaltige wirtschaftliche Aktivitäten (um)lenken. Dabei müssen die ohnehin schon zur nichtfinanziellen Berichterstattung verpflichteten Unternehmen bereits mit dem Bericht für das Geschäftsjahr 2021 zusätzlich angeben, wie hoch der prozentuale Anteil ihrer nachhaltigen Aktivitäten am Umsatz, an den Investitionen und Betriebskosten ist. Hohe Zeit also, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen, denn wer im Jahr 2022 darüber berichten muss, braucht auch eine entsprechende Datenbasis. Aufgrund der stetig wachsenden Bedeutung „grüner Investments“ ist davon auszugehen, dass viele Investoren hier zukünftig sehr genau hinschauen werden.
Zu den nationalen Nachhaltigkeitszielen könnte qua Verkehrsvermeidung auch das Thema Homeoffice einen guten Beitrag leisten. Schließlich hat die Pandemie vielfach bewiesen, dass der große Zusammenbruch der Arbeitsmoral nicht stattgefunden hat. Große Teile von Politik und Wirtschaft sehen darin offenbar nur eine Notlösung und Analysten der Deutschen Bank fordern gar eine Homeoffice-Steuer. Während also rund um die Welt zahlreiche Unternehmen – u. a. auch der wertvollste DAX-Konzern SAP – die Digitalisierung der Wirtschaft vorantreiben und an disruptiven Lösungen arbeiten, um Bankgeschäfte, Behördengänge, Arztbesuche, Einkäufe, Immobilientransaktionen usw. ohne persönliches Erscheinen zu ermöglichen, leistet man sich in Deutschland lieber eine Regulierungsdiskussion, anstatt die Arbeitswelt der Zukunft konkret zu gestalten. Kommunikativ ist das nicht nur in der Pandemie ein Desaster, sondern längerfristig auch ein potenzieller Wettbewerbsnachteil. Auch hier gilt: Den Wandel zu leugnen, ist keine gute Strategie. Stattdessen muss er konstruktiv begleitet und umgesetzt werden – organisatorisch und kommunikativ.