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Warum versagt die Kommu­nikations gerade bei „ESG-Krisen“ so oft?

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Warum versagt die Kommu­nikations gerade bei „ESG-Krisen“ so oft?

Carsten Böhme, Managing Partner Frankfurt, 21. Februar 2022

Schaut man sich Kommunikations­­krisen der letzten Zeit einmal genauer an, fällt auf, dass Unternehmen oft dann vermehrt ins Schlingern geraten, wenn sich der Auslöser des Problems thematisch hinter der Abkürzung ESG versteckt. Nennen wir es kurz: ESG-Krise.

Umweltthemen (Environment), gesellschaftliche Aspekte (Social) und die verantwortungsvolle Unternehmensführung (Governance) scheinen einen besonderen Sprengstoff zu liefern, der Reputation und Karrieren in kürzester Zeit zerstören kann. Der kommunikative Umgang mit Produkt- oder Prozesskrisen gelingt hingegen meist besser. Er ist professioneller, und der Nachhall erscheint zumeist leiser und kurzlebiger. Meine Wahrnehmung mag subjektiv eingefärbt sein, aber meine These möchte ich gerne mit einigen Beispielen untermauern.

Eine typische Prozesskrise wäre eine erfolgreiche Cyber-Attacke, bei der Kundendaten gestohlen wurden. Vom Potenzial her sicherlich eine erhebliche Krise. Auf der einen Seite wird der gesamte Unternehmensprozess gestört, auf der anderen können dem Unternehmen anvertraute persönliche Daten in kriminelle Hände gelangen.

Der Vertrauensschaden bei Kundinnen, Kunden und Mitarbeitenden muss enorm sein, denn sie sind persönlich betroffen. Dennoch vergisst und vergibt die Öffentlichkeit solche Fehler relativ schnell. Beispiele gibt es hierfür viele und die Liste wird in den nächsten Monaten und Jahren sicherlich weiter anwachsen. Genannt seien stellvertretend Tegut, Mediamarkt und Saturn, Thalia oder die Unfallkasse Thüringen, die allesamt getroffen wurden.

Läuten bei Ihnen da nicht die Alarmglocken? Ist kein „Geschmäckle“ hängen geblieben? Bei mir jedenfalls nicht, und die Erklärung finde ich im Krisenmanagement. Das offensichtliche Fehlverhalten, unberechtigten Datenzugriff zu verhindern, wurde in keinem dieser Fälle unter den Teppich gekehrt. Ging ja auch nicht! Dafür sorgen allein schon die Regulierung (hier: DSGVO) und die im Idealfall dazu vorbereiteten Krisenhandbücher.

Die Unternehmen MÜSSEN informieren und damit kommunizieren. Gleiches gilt auch für die meisten Produktrückrufe von ungenießbaren Lebensmitteln (Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch) bis hin zu ganzen Kraftfahrzeugen (Produktsicherheitsgesetz). Hier ist der Rahmen für eine öffentliche Kommunikation vorgegeben.

Bei ESG-Krisen verhält es sich anders. Es gibt zumeist keine gesetzliche Vorgabe für den kommunikativen Umgang im Falle der Nichteinhaltung proklamierter Klimaziele. Oder bei Diskriminierung von Bewerberinnen und Bewerbern, sexueller Nötigung am Arbeitsplatz und bei dem falschen Umgang mit Insider-Informationen. Das heißt im Umkehrschluss, es liegt allein in den Händen des jeweiligen Unternehmens, dem Top-Management genauer gesagt, zu entscheiden, wie in Krisensituationen zu verfahren ist.

Geht das Unternehmen in die Offensive und damit freiwillig in die Öffentlichkeit, oder aber setzt es auf Vertuschung? Da es sich bei ESG-Krisen zumeist auch um ethisch-moralische Verfehlungen handelt, neigt der betroffene Mensch leider stark zu letzterem. Wer möchte sich in der Öffentlichkeit für moralisches Versagen maßregeln lassen? Zumal wenn er es in leitender Funktion in letzter Instanz zu verantworten hat?

In der Konsequenz werden die Empfehlungen der Krisenexperten für einen transparenten, souveränen Umgang häufig abgelehnt. Und die ESG-Krisen nehmen ihren Lauf. In manchen Fällen mag die Rechnung aufgehen, und der Fall bleibt unter der Decke. In Zeiten der extrem schnellen, vernetzten und auch „sozialen“ Medien ist diese Wette aber riskant, denn früher oder später ist mit einer Veröffentlichung zu rechnen. Und dann potenziert sich die ursprüngliche Krise im Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit. Zum ursprünglichen Problem kommt der falsche Umgang mit selbigem hinzu. Die Stakeholderinnen und Stakeholder werden von der Unternehmensspitze durch zu wenig oder gar keine Information hinter das Licht geführt. Und das wiegt zumeist schwerer als die eigentliche Verfehlung.

Als aktuelles Beispiel kann ausgerechnet ein Medienunternehmen herangezogen werden: Axel Springer. Der persönlichen Verfehlung eines leitenden Mitarbeiters hätte relativ leicht mit konsequentem Handeln im Sinne der eigenen ESG-Grundsätze begegnet werden können. (Sexuelle) Belästigung oder Nötigung von Mitarbeitenden ist eine dicke rote Linie. Doch durch den Versuch des Verschiebens dieser Linie, sprich durch Relativieren, Vertuschen und Aussitzen entwickelte sich die individuelle Krise zu einer ausgeprägten, immer noch anhaltenden Unternehmenskrise.

Interne und externe Zweifel an Integrität und Unternehmenskultur dürften stark gewachsen sein. Anstelle des leitenden Mitarbeiters ist der Vorstandsvorsitzende ins Fadenkreuz geraten und muss sich erklären, entschuldigen und in ESG-Trainings nachschulen lassen. Vom Unternehmen wurde dann das Problem an den Verlegerverband „weitergereicht“. Die Autorität des Vorstands als Verbandsvorsitzender wurde öffentlich hinterfragt.

Noch schwerer könnte allerdings die Reaktion der Aktionärinnen und Aktionäre wiegen. An US-Börsen notierte Private-Equity-Gesellschaften geraten schnell in Erklärungsnot, wenn sich deren Portfolio-Unternehmen ungestraft über ESG-Standards hinwegsetzen. So ist es kein Zufall, dass dieses zuerst als beherrschbar eingeschätzte Problem aus Berlin-Mitte auch auf der anderen Seite des Atlantiks von US-Leitmedien aufgegriffen wurde: New York TimesWashington PostBloomberg. Damit ist die maximale Eskalation erreicht, obwohl der eigentliche Krisengrund weit weg in Deutschland liegt.

Es bleibt abzuwarten, wie dieser konkrete Fall ausgeht. Die Lehren sind aber für alle anderen Unternehmen offensichtlich und viel wichtiger: Unternehmen müssen ESG-Krisen mit der gleichen Systematik angehen wie alle anderen Unternehmenskrisen auch. Dafür muss dem Thema ESG – und dem im Vergleich zum Thema Krise oft unterschätzen Thema Compliance – der nötige Stellenwert eingeräumt werden – inhaltlich und personell. Unternehmen, die ESG als Feigenblatt, Modeerscheinung oder Klimagedöns abtun, programmieren bereits den nächsten Kommunikationsgau.

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